Arbeiten auf den Ruinen von Gaskammer und Krematorium in Birkenau
Studienfahrt der KGS Moringen mit der KZ-Gedenkstätte Moringen nach Auschwitz unter Corona-Bedingungen
Lange war es fraglich, ob die diesjährige Studienfahrt der Gedenkstätte Moringen mit Schüler*innen der KGS Moringen nach Auschwitz würde stattfinden können. Noch in den Sommerferien sah es so aus, dass Fahrten ins Ausland aufgrund der Infektionslage von der Landesschulbehörde nicht genehmigt werden könnten. Entsprechend froh wa ren die20 Teilnehmer*innen des Seminarfachkurses „Jugend und Nationalsozialismus“, die alle geimpft oder getestet waren, als am 11. September dann doch gestartet werden konnte.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie waren auch in Polen zu spüren. In der Gedenkstätte des KZ Auschwitz hatte nur 25% der üblichen Besucherzahlen. Ausstellungen betrat die Gruppe natürlich auch nur mit Maske, was aber der Wirkung des historischen Ortes auf die Schüler*innen keinen Abbruch tat.
„Das Ausmaß der Verbrechen wurde für mich in Auschwitz an zwei Punkten besonders deutlich. Erstens die Größe des Geländes in Birkenau, wo es sehr lange dauerte von einem zum anderen Ende zu gehen, zweitens die Auflistung der Namen der ermordeten holländischen Juden in der Länderausstellung, die klein geschrieben eine ganze Wand einnahmen“, erinnert sich eine Teilnehmerin.
Neben Workshops zur Spurensuche und zur Situation der Kinder im Lager beteiligte sich die Gruppe an drei Tagen an Erhaltungsarbeiten. Sie entfernten Laub vom Gelände und säuberten die Rinnsteine der Lagerstraßen im Stammlager. Mit einem eigentümlichen Gefühl war besonders die Arbeit in Birkenau direkt in den Ruinen von Gaskammer und Krematorium V verbunden – ein Bereich, der von Besuchern sonst nicht betreten werden darf. „Dort Moos und Laub zu entfernen, wo andere Menschen dem Zyklon B zum Opfer gefallen und ihre Leichen verbrannt worden sind, hat mich sehr bedrückt“, schildert eine Schülerin. Zugleich sei es ein gutes Gefühl gewesen, „etwas zum Erhalt des Ortes und zur Erinnerung“ beitragen zu können.
Alle Schüler*innen hatten ihre Facharbeit zum Thema Nationalsozialismus geschrieben – mehrere auch über Auschwitz selbst. Für Greta beispielsweise, die sich mit Mengele auseinandersetzte, war es ein besonderer Moment auf der Rampe zu stehen, wo Mengele die Selektionen der Deportierten vornahm und am Ort der Kinderbaracke, wo er seine pseudomedizinischen Versuche an den Kindern vornahm.
In den Länderausstellungen suchten die Schüler*innen nach den Namen der Angehörigen von der Holocaust-Überlebenden Rozette Kats, mit der der Kurs im März ein online-Zeitzeugengespräch geführt hatte. Sie fanden die Namen ihrer Eltern Emmanuel und Henderina und ihres drei Monate alten Bruders Robert, die alle gleich bei ihrer Ankunft am 19.11.1943 vergast wurden, auf der Liste der Opfer des Nationalsozialismus in der holländischen Ausstellung.
Ihre Erfahrungen und Erlebnisse teilte die Gruppe jeden Tag auf dem Instagram-Kanal der KZ-Gedenkstätte Moringen, wo diese auch weiterhin abrufbar sind.
Die begleitenden Lehrer Stefan v.Huene und Florian Heße-Weiß waren beeindruckt, wie motiviert die Schüler*innen trotz des umfangreichen Programms, das nicht nur emotional herausfordernd war, bei der Sache waren: „Eine tolle Gruppe“. Sechs Tage verbrachte die Gruppe in Auschwitz. Danach ging es nach Krakau, wo sie u.a. auch die ehemalige Schindler-Fabrik (Schindler Liste) besuchte.
Das Erlebte zu verarbeiten wird noch dauern. Eine Schülerin meint: „Ich kann selbst jetzt nicht alles realisieren. Es fühlt sich zum einen so an, als würde mir schon klar, was passiert ist, aber zum anderen fühlt alles sich unrealistisch an. (…) Ich bin unfassbar dankbar, dass wir im Moment ein Leben ohne Krieg haben.“ Ein anderer Teilnehmer ergänzt: „Ich kann nur jedem empfehlen, an diesen Ort zu gehen, ihn auf sich wirken zu lassen und zu fühlen. Die Eindrücke, die ich hier gesammelt habe, endgültig zu verarbeiten, wird wahrscheinlich noch länger dauern und dieser Prozess nie ganz abschließbar sein.“